Dienstag, 19. August 2008

Projektbesuche in Brasilia

Nachdem wir gestern alle bis zum Umfallen Pizza und Pasta gegessen haben faellt das Fruehstueck heute bei einigen mal eher klein aus. Und das bei dem, was uns die Jesuiten da schon wieder aufgetischt haben...


Heute stehen einige Projektbesuche auf dem Programm, und damit kommen wir wieder zum intellektuelleren Teil unseres Ausflugs. Am Vormittag sind wir mit zwei VertreterInnen des Rede da Educação Cidadã (Netzwerk fuer politische Bildung) unterwegs, die uns zu einer weiteren Recyclingkooperative (CORTRAP) an der Estrutural (Bundesstrasse, die Brasilia mit den Satellitenvorstaedten verbindet) und zu einem Nachbarschaftsprojekt in Ceilândia mitnehmen, mit denen sie zusammenarbeiten. Mittagessen werden wir in einem der wenigen belebten Teile des Stadtzentrums Brasilias, und am Nachmittag stehen noch ein Besuch beim CIMI (Conselho indigenista missionário) und ein ueberwaeltigender Ausblick ueber Brasilia vom zentral gelegenen Fernsehturm an bevor wir uns auf die vorerst letzte Reise mit João und unserem MicroOnibus begeben.


Die Recyclingkooperative ist um einiges groesser als jene, die wir bereits in Goiânia besucht haben und blickt auf eine sehr spannende Gechichte zurueck, die direkt mit den Fehlplanungen des Plano Piloto zusammenhaengen. Im Masterplan fuer Brasilia wurde naemlich schlichtweg nicht vorgesehen, dass die ueberwiegend aus dem Nordosten zugezogenen verarmten Bevolkerungsschichten, die die Stadt aus dem sprichwoertlichem Staub gestampft haben, auch einen Platz zum Wohnen brauchen. Aus diesem Grund bildeten sich relativ bald spontane und zumeist illegale Ansiedlungen ausserhalb der Stadt und auf den grossen freien Flaechen innerhalb des Plano Piloto. Viele MigrantInnen fanden im Sammeln und Verkaufen von sortiertem Muell eine erste Einkommensquelle. Bald entstand direkt hinter dem politisch sehr bedeutsamen Platz der drei Gewalten im Zentrum eine erste Favela von MuellsammlerInnen. Diese wurde allerdings als eine der ersten auch wieder aus dem Stadtbild verbannt und an die Peripherie, in die Naehe der damaligen Muelldeponie "verlagert". Nachdem man bemerkt hatte, dass dieser Platz fuer eine Muelldeponie aufgrund des Grundwassers und der Gasemissionen eines naheliegenden Gaswerks relativ ungeeignet war, verlagerte man die Deponie. Die MuellsammlerInnen blieben und schufen die CORTRAP (cooperativa de reciclagem, trabalho e produção), die heute ca. 120 Personen umfasst, die sich darin durchschnittlich Einkuenfte in der Hoehe eines Mindestlohns erwirtschaften. Finanziell unterstuetzt wird die Kooperative von der nationalen Entwicklungsbank BNDES, der Banco do Brasil, der Abgeordnetenkammer und anderen regierungsnahen und -fernen Organisationen.

Der naechste Besuch brachte uns nach Ceilândia, einem Vorort, der aus den Umsiedlungsaktionen diverser Favelas aus dem Stadtzentrum entstand. Die lokale Frauenorganisation, die wir dort besuchten, ist Ausdruck dessen, dass man sich in Ceilândia schon immer selbst um alles kuemmern muesste. Praktisch die gesamte Infrastruktur wurde anfangs von den BewohnerInnen selbst geschaffen. Erst vor kurzem erkannte auch der Bundesstaat seine politische Verantwortung und begann sich um die Asphaltierung der Strassen, Abwasser, Strom usw. zu kuemmern.

Ednalva, eine politische AktivistIn aus dem Viertel engagiert sich nun seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Rede Cidadã in Sachen Rechtshilfe, Konfliktmediation und politischer Bildung. Daraus enstanden unter anderem ein Nachbarschaftsverein von Frauen, der sich dem Kunsthandwerk widmet und verschiedenste Verbindungen zu anderen lokalen Organisationen, wie etwa der HipHop-Bewegung im Viertel und in anderen Vororten. Rapmusik, Graffiti und Breakdance wird von dieser auch zur politischen Bildung eingesetzt. Die engagierten Jugendlichen versuchen dabei die Sozialkritik in den Texten und anderen Ausdrucksformen des HipHop in Politik und produktive Vorschlaege zur Gesellschaftsveraenderung umzuwandeln.

Am Nachmittag nahmen sich dann noch einige VertreterInnen des CIMI (www.cimi.org.br) Zeit fuer uns, und zeigten uns die Kernelemente ihrer Arbeit, die auch von oesterreichischen NGOs unterstuetzt wird. Wir diskutierten mit Ihnen etwa ueber die Verankerung der Rechte indigener Bevoelkerungsgruppen in der brasilianischen Verfassung und eine aktuelle Kampagne zur Situation der Guaraní im Sueden des Landes. Mit Informationsmaterial und Eindruecken ueberhaeuft, nahmen wir dann zum Abschluss des Tages noch den Lift zur Aussichtsplattform des lokalen Fernsehturms und genossen den fruehabendlichen Ausblick ueber Brasilia.

Unsere Reise war damit fast am Ende. Schnell noch Hildete eingepackt, die einige Tage mit dem nationalen Jugendrat unterwegs war, und auf nach Hause - nach Goiânia. Am Weg kehrten wir noch kurz auf ein pamonha (aehnlich den mexikanischen tamales - im brasilianischen Fall also mais- bzw. maniokpolenta mit Kaese, Fleisch und anderen Zutaten) ein und bildeten uns visuell mit dem zweiten Teil der Narnia Legenden per DVD (was einige unter uns nicht besonders beeindruckte..). Um 21h waren wir dann nach spannenden und auch etwas anstrengenden Tagen unterwegs, endlich wieder in der CAJU und freuten uns auf unseren freien Tag morgen. Boa noite!

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